Wie können digitale Lösungen dazu beitragen, eine Verhaltensänderung in Richtung nachhaltiger Mobilität situationsabhängig zu beeinflussen? Dieser Frage widmet sich das Forschungsprojekt DyMoN – Dynamic Mobility Nudge mit einer Laufzeit von Mai 2021 bis April 2024. Ein Baustein des Projekts ist die Summer School, die vom 29. Juni bis zum 6. Juli 2023 in Salzburg stattfand. Für mich war dies eine gute Möglichkeit, die letzten drei ECTS-Punkte des Wahlpflichtfachs „Angewandte Geoinformatik“ für mein UNIGIS-Masterstudium in meinem Hauptthemenfeld der nachhaltigen Mobilität zu sammeln und für mich fast vollständig neue Einblicke in die psychologische Ebene der Thematik zu erhalten. Gleichzeitig war es die Chance, ein intensives Studienformat mit spannendem internationalen und -disziplinären Austausch kennenzulernen, das nicht Teil meines weit zurückliegenden Erststudiums war.
Die zwölf Teilnehmenden der Summer School kamen aus neun Ländern: Bangladesch, Bulgarien, China, Deutschland, Indien, Iran, Italien, Taiwan, Vereinigte Staaten. Überwiegend studieren und arbeiten sie jedoch derzeit in europäischen Universitätsstädten.
Ein erstes wichtiges Format der Summer School waren Impulsvorträge, unterteilt in die Themenblöcke Nachhaltige Mobilität (2. Tag), GIS (3. Tag) und Psychologie (4. Tag). Kleine und umfangreichere Workshopformate sowie im Fall der nachhaltigen Mobilität auch eine Exkursion zu verschiedenen mobilitätsrelevanten Orten in Salzburg ergänzten den Einblick in die jeweiligen Oberthemen. Teile der Tage 3 und 4, die Tage 5 und 7 und die erste Hälfte von Tag 8 waren der Gruppenarbeit gewidmet: jeweils zu dritt erarbeiteten die Teilnehmenden ein DIN-A0-Poster für die Ausstellung auf der Konferenz GI_Salzburg23. Die Themen der Plakate waren Walkability/Bikeability Score, Mobility Hub (S-Bahn-Station Aiglhof), Accessibility (Hauptbahnhof) und Mobility Dashboards (unsere Gruppe). Der Nachmittag von Tag 8 sowie Tage 9 und 10 waren als Teilnahme an der Konferenz Bestandteil der Summer School (Bericht folgt).
Ein paar Schlaglichter auf die Dinge, die ich inhaltlich mitgenommen habe:
- Ein Verständnis der Ursprünge des Nachhaltigkeitsbegriffs, verbunden mit der Arbeit von Hans Carl von Carlowitz. Die Ursprüge dieses Begriffs gehen auf die Holzwirtschaft zurück und auf eine Zeit, als dieser Rohstoff noch der wichtigste brennbare Energielieferant war. Grundsätzlich kannte ich diesen Punkt, aber der betreffende Vortrag trug zu einem noch weiteren Verständnis der generellen Zusammenhänge bei.
- Die Erkenntnis, dass das Stadtbahn-Projekt S-Link sehr umstritten ist, obwohl es bei adäquater Umsetzung kein reines Infrastrukturprojekt wäre, sondern maßgeblich zu einer umfassenden Stadtraum-Umgestaltung in Richtung nachhaltiger Mobilität beitragen könnte.
- Das Wissen, dass man mit pgRouting sehr spannende Dinge machen kann und erste diesbezügliche Anwendungserfahrungen. Dieses Open-Source-Routing-Werkzeug ist eine Erweiterung für eine räumliche PostGIS/ProgreSQL-Datenbank. Für mich war es tatsächlich der erste Anwendungsfall für PostGIS, da ich vor dem Studium noch keine Berührungspunkte damit hatte und im betreffenden Modul im Studium (leider!) Oracle-Werkzeuge genutzt wurden. pgRouting war das Thema eines GIS-Workshops, an dem ich teilnahm. Parallel wurden die Themen REST-Services und agentenbasierte Modelle als Workshops angeboten.
- Die Kenntnis, dass es unterschiedliche Modelle zur Verhaltensveränderung gibt und dass das COM-B-Modell eines der wichtigsten unter ihnen ist. „C“ steht hier für „Capabilities“, also Fähigkeiten. Beim Radfahren zum Beispiel: Eine Person hat ein Fahrrad verfügbar und kann radfahren. „O“ steht für Opportunities, also Gelegenheiten: Der Weg und zum Beispiel die aktuelle Wettersituation machen das Fahrrad objektiv gesehen zu einer guten Wahl. „M“ steht für Motivation: Hat die betreffende Person auch Lust, gerade Fahrrad zu fahren, ist dieses Verkehrsmittel also subjektiv gesehen die zu wählende Option für den betreffenden Weg? „B“ steht für Behaviour, also das entsprechend resultierende Verhalten.
Neben der Arbeit gab es auch ausreichend Freizeit. So stand am Sonntag, dem 2. Juli, also dem sechsten Tag im Verlauf der Summer School, eine Wanderung zum Gaisberg auf dem Programm. Diese fiel zwar was den letzten Teil nahe der Spitze dieses 1287 Meter hohen Salzburger Hausberges im Südosten der Stadt – vorschaumäßig unerwartet – ins Regenwasser, war aber dennoch ein ausgesprochen positiv erinnernswertes Erlebnis. Neben Spaziergängen durch die Stadt war der Ausflug nach Fürberg und St. Gilgen am Wolfgangsee, an dem ein großer Teil der Gruppe am Nachmittag und Abend des dritten Tages teilnahm und bei dem sich keine einzige Wolke blicken ließ, ein freizeitmäßiger Höhepunkt. Baden in den schönen Seen mit Bergpanorama im Salzburger Land sollte man sich nicht entgehen lassen!
Vielen Dank an das Team vom Mobility Lab des Z_GIS für die Organisation und Durchführung dieser Summer School und insgesamt an alle, die inhaltliche Beiträge geliefert oder anderweitig zum Gelingen beigetragen haben.
Es war alles in allem eine runde Sache. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die Konferenz nicht der Abschluss der Summer School ist, sondern von ihr gerahmt wird. Es wäre eine gute Möglichkeit gewesen, gegenseitig zu den Konferenz-Themen zu berichten, denn viele für uns Teilnehmende interessante Vorträge und Workshops lagen parallel (Beispiel: Youth Forum und Panels zu thematisch relevanten GIS-Beiträgen wie etwa Mobilität). Ein Tag mit Konferenz-Rückblick, gegenseitigen schlaglichtartigen Präsentationen zu Einzelthemen und eventuell kurzen selbst recherchierten Ergänzungen hätte dafür sorgen können, dass man noch mehr aus der Konferenz kombiniert mit den Themen der Summer School nach Hause nimmt. Es hätte zudem dafür gesorgt, dass sich das Ganze während der Konferenz nicht so verläuft. Denn trotz einiger – teilweise zu optional kommunizierter – Fixpunkte war der fest eingeplante inhaltliche Austausch in der Gesamtgruppe nicht mehr gegeben, abgesehen von selbstredend ebenso wichtigen informellen Gesprächen, die es in sehr vielfältiger Form weiterhin gab. Das Problem ist natürlich, dass hinsichtlich des Rückreisezeitpunkts und teilweise langer Anfahrtswege der Donnerstag ein besserer Abschlusstag ist als beispielsweise der Freitag. Vielleicht hätte ein weiterer halber oder ganzer Tag eingeplanter Pause vor der Konferenz für mehr gruppenübergreifende Motivation gesorgt, möglichst umfassend die Workshops und Panels der Konferenz zu besuchen, was aber wiederum bedeutet hätte, die Gesamtdauer der Summer School etwas zu strecken.
Am Abend des letzten Konferenztages kam ich kurz vor Mitternacht wieder zuhause an (Bilanz der Rückfahrt: Railjet nach München ca. 10 Minuten Verspätung, größtenteils auf ÖBB-Netz angesammelt, ICE über Leipzig und Berlin nach Hamburg: 1 Minute Verspätung). Im Zug saß ich zusammen mit meiner Hamburger Summer-School-Kollegin, die ich erst letzte Woche in Salzburg kennengelernt hatte. Ich bin mit einer so reichen Flut an wertvollen Eindrücken auf sozialer, inhaltlicher und geografischer Ebene aus der Summer School und der Konferenz gegangen, dass ich zwar physisch wieder in Hamburg angekommen bin, vom Kopf her aber noch in wonnigen Salzburger Sphären schwebe. Ab nächste Woche rufen die beruflichen Projekte wieder, bei denen es zum Teil auch sehr gute Anknüpfungspunkte an die Inhalte der Summer School gibt, insbesondere bei PeriMobil.