INTERGEO 2023: Der Hightech-Gigant unter den Geo-Messen mit besonderen Oasen

Ich fuhr mit der Erwartungshaltung zur INTERGEO 2023 in Berlin: Das wird nicht unbedingt ganz mein Ding sein, aber da muss man mal dabei gewesen sein! Außerdem konnte ich das Ganze mit einer Bestandsaufnahme im Bezirk Neukölln für meine UNIGIS-Salzburg-Masterarbeit innerhalb des berufsbegleitenden Fernstudiums Geoinformatik verbinden, bei der ich verbessertes Fußgänger-Routing thematisiere.

Was also sind die Oasen für FOSSGIS-Enthusiasten inmitten der Hightech-Welt aus LiDAR-Drohnen, anderen Vermessungsrobotern aller Art, proprietären Highend-Software-Lösungen für die Branche und diversen weiteren „Hochglanz-Bereichen“ der Geo-Industrie? Erstmal vorweg: Auch für einige dieser Dinge kann man sich natürlich als FOSSGIS-naher GIS-Liebhaber freier Software und offener Daten begeistern – das war auch bei mir der Fall.

Die Oasen sind dann aber doch anders geartet: OPENGIS.ch lockte mit dem QField-Stand – und es wird nun Zeit, dass ich endlich mal ein QGIS-Projekt aufsetze, bei dem diese App zur Vor-Ort-Erfassung von Geodaten zum Einsatz kommen kann. Mein Ansatzpunkt ist hier die genaue Erfassung von Fußwegdaten, die weit über das hinausgeht, was der OpenStreetMap-Standard – auch in seiner detaillierten Form – abdeckt.

Berlin Open Data präsentierte alte Dinge sehr zeitgemäß: Eines der neuesten Produkte im Geodaten-Viewer sind punktuell verortete (Beispiele 1954 und 1964) oder bei entsprechend genauen Daten voll georeferenzierte (Beispiel 1928) historische Luftbilder. Da diese zu den am häufigsten nachgefragten Abbildungen des geografischen Raums gehören und bisher oftmals weiterhin als analoge Produkte angefordert wurden, ist es hier eine spannende Frage, wie die älteren „Undigital Natives“ mit einer Umstellung auf eine digitale Bereitstellung innerhalb des kartenbasierten Katalogsystems umgehen können. Die Aussage meines Gesprächspartners am Stand war, dass der Umgang mit dem auf dem Open-Source-Werkzeug Masterportal basierenden System Geoportal Light sehr einfach und intuitiv sei und dass die meisten Menschen damit gut zurechtkämen. Ich hatte gerade tatsächlich in der Nutzung des Portals selber keine Probleme, jedoch fiel es mir nicht leicht, die am Stand gezeigte Darstellung zu finden, denn die Suchmaschine leitete mich zunächst auf einen ganz anderes System zur Luftbild-Betrachtung, das auch nur voll georeferenzierte Bilder enthält.

Das UNIGIS-Team präsentierte sich neben anderen Ständen von Hochschulen, die unter anderem Geoinformatik- und Geodäsie-Studiengänge anbieten. Ich stattete dem Team aus mir bekannten Gesichtern dort mehrere Besuche ab (und verließ den Stand jedes Mal mit brauchbaren Merchandising-Produkten und einer Mozartkugel). Auch am Nachbarstand der Hochschule Anhalt interessierte mich der dort angebotene Master-Fernstudiengang Geoinformatik als Vergleich zu unserem Salzburger Modell. Ich erfuhr, dass dieser aktuell für Neuzugänge ausgesetzt sei und einer kompletten Revision unterzogen werde und kam länger mit Prof. Dr. Holger Baumann ins Gespräch. Unter anderem ist das berufsbegleitende Studium dort sehr viel günstiger als in Salzburg, neben weiteren großen Unterschieden. Ich glaube nach wie vor, das ein Geoinformatik-Fernstudium in Salzburg die beste Wahl für mich war. Wiederum direkt daneben präsentierte sich die HafenCity Universität Hamburg (HCU), also die Hochschule, an der ich 2008 mein Diplom-Stadtplanungsstudium abschloss, mit den Bachelor– und Master-Studiengängen Geodäsie und Geoinformatik. Mit Prof. Dr.-Ing. Jochen Schiewe hatte ich während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HCU 2010/2011 im Bereich Geovisualisierung bereits zu tun gehabt und freute mich über ein Wiedersehen bei einem kurzen Besuch im Verbändepark.

Ein weiteres langes Gespräch, wiederum in Sachen Vergleichbarkeit der Studiengänge, führte ich am Stand der Hochschule Neubrandenburg. Dabei ging es um die Frage, wie viel Informatik in Geoinformatik-Studiengängen steckt oder stecken sollte. Denn: In Salzburg war es mir deutlich zu wenig Informatik, was einer meiner wenigen Kritikpunkte ist. Das vor langer Zeit erdachte Bürgerbeteiligungs-Online-Werkzeug zur Freihand-Trassierung von Eisenbahntrassen mit automatischer Berechnung von Mindestkurvenradien, Klothoiden und Steigungen kann ich noch immer nicht auf Basis von OpenLayers oder Leaflet programmieren – aber das ist zugegebenermaßen auch eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, die vielleicht eher für „Vollblut-Informatiker“ mit Interesse am Geo-Bereich gedacht ist.

Am Tag zwei, der aus terminlichen Gründen recht kurz und leider schon mein letzter INTERGEO-Tag war, hatte ich ein Konferenz-Ticket und besuchte Vorträge innerhalb des 71. Deutschen Kartographie-Kongresses. Prof. Dr.-Ing. Jochen Schiewe hielt den Keynote-Vortrag zum Thema „Generalisierung mit Machine Learning-Verfahren“, einem hochaktuellen Thema unter anderem mit der Frage, wie sich eine sachlich richtige und zugleich auch ästhetische kartografische Darstellung mithilfe künstlicher Intelligenz automatisiert erstellen lässt, eben mit einer angemessenen Form der Generalisierung. Ein besonderer Themenschwerpunkt war dabei, wie künstliche Intelligenz zu einer zielführenden Klassifizierung beispielsweise von Flächenkartogrammen beitragen kann. Eine dem Ganzen übergeordnete Frage stellt der Artikel „Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen?“, der im Frühjahr 2023 in den Kartografischen Nachrichten (KN), der von der Deutschen Gesellschaft für Kartographie e.V. (DGfK) herausgegebenen Fachzeitschrift, erschien.

Wie dann auch aus anderen Vorträgen deutlich wurde: Digitalisierung und Automatisierung gingen im kartografischen Bereich zunächst stark zu Lasten der Ästhetik. Digitale Versionen kartografischer Produkte sind auch heute noch in den meisten Fällen einfach nicht so „schön“ wie ihre gedruckten Entsprechungen – von automatisierungsbedingten inhaltlichen Unstimmigkeiten ganz zu schweigen. Das zeigte auch eine für die zweite Vortragsreihe ausgehändigte gedruckte Karte mit der neuen Präsentationsgrafik basemap.de P10 (Maßstab 1:10.000) von Werder (Havel). Eine kurze Diskussion mit meinem Sitznachbarn vergab eher eine mittlere Note in grafischer und inhaltlicher Hinsicht. Es lässt sich nicht auf die Schnelle sagen, wieso, aber im Gegensatz zu den händisch erstellten klassischen topografischen Karten fehlt diesen neuen Darstellungen irgendwie die „Seele“. Die neuen amtlichen kartografischen Produkte mit dem Label „basemap.de“ waren dann auch ein weiterer Schwerpunkt des Vortragsblocks, wobei oft auf den Vorreiter basemap.at verwiesen und auch das Schweizer Pendant vorgestellt wurde. Da basemap.de digital auch in in Form von Vector Tiles bereitgestellt wird, war diese im Vergleich zu dem „Urgestein“ Rasterkacheln noch deutlich jüngere Variante ein weiteres Schwerpunktthema.

Vor einem letzten Besuch beim UNIGIS-Stand durfte ich dann noch die Erfahrung machen, dass man sehr lange nach einem bestimmten Messestand suchen kann, wenn sowohl im Ausstellerverzeichnis online als auch in den Plänen vor Ort eine falsche Standnummer steht. Endlich fand ich ihn aber doch, den DJI-Stand, um einem in diesem Bereich sehr interessierten Kommilitonen ein paar inhaltliche und fotografische Eindrücke übermitteln zu können, unter anderem von der Zenmuse L2, dem aktuell fortschrittlichsten LiDAR-Modul des Herstellers.

Die INTERGEO ist nicht meine Lieblingskonferenz und ich habe nun nicht das Bestreben, sie jährlich zu besuchen wie im Fall von GI_Salzburg und FOSSGIS-Konferenz, aber es ist sicherlich auch nicht das letzte Mal, dass ich dabei gewesen bin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert